Prof. Dr. Rainer Krüger

Rektor der Universität von 1974-1979

Prof. Dr. Rainer Krüger, 1939 in Schlesien geboren, studierte in Göttingen und an der FU Berlin Geographie, Anglistik, Philosophie und Pädagogik. Nach der Promotion 1967 wurde er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Osteuropa-Institut der FU Berlin. 1968 wechselte er als Hochschuldozent an die Pädagogische Hochschule Berlin, von wo er 1970 als ordentlicher Professor für Geographie an die Pädagogische Hochschule in Oldenburg berufen wurde. Sein Engagement im Vorstand des Gründungsausschusses führte 1974 zu seiner Wahl als Gründungsrektor. Nach seinem Rücktritt 1979 aus Protest gegen die Hochschulpolitik der Landesregierung widmete er sich wieder ganz seinem Fach. 1992 gründete er gemeinsam mit Prof. Dr. Brake das Forschungsinstitut Region und Umwelt (FORUM) GmbH an der Universität Oldenburg und war dessen erster wissenschaftlicher Direktor bis 1998. Nach der Emeritierung 2004 leitete er Tourismus-Projekte in Deutschland und Italien und gründete 2008 die „Beratungs- und Planungsagentur CaravaningConsult“ für touristische Beratungen im Land Brandenburg. Rainer Krüger lebt heute in Berlin.

Persönlicher Rückblick auf die Amtszeit

(aus „Mehr Lust als Last?”[1])

Die Universitätsgründung –
unkonventionell und doch erfolgreich!

Nur widerstrebend steige ich in die Aufgabe ein, über die Gründungsphase der Carl von Ossietzky Universität zu schreiben. Ihr Anfang liegt fast vierzig Jahre zurück. Erinnerung dünnt aus und konzentriert sich auf Situationen, über die hinaus das Gründungsgeschehen breiter ausgeleuchtet werden müsste. Stelle ich mich dennoch der Aufgabe, soll es nicht nach billiger später Rechtfertigung klingen. Ich muss versuchen, die eigentlich geleisteten Aufgaben im Gründungsauschuss und danach in der Rektoratszeit bis 1979 wenigstens in groben Zügen zu beschreiben.

Die spektakuläre Geschichte der Namensgebung, die Auseinandersetzung um den Radikalenerlass im Öffentlichen Dienst, das äußere Erscheinungsbild bärtiger Universitätsgründer und die von ihnen vermeintlich ausgehenden revolutionären Gefährdungen sowie ihre beklagte Unprofessionalität – alle diese Reibungspunkte haben sich zu einem Gemisch verdichtet, das die Universitätsgründung in einem schlechten Licht erscheinen ließ. Selbst im Ringen mit Landesregierungen, die Ausbauziele der Hochschule – Studienplätze, Neubauten, Studiengänge – verwarf und neu erfand, gab es zwar auch Solidarisierungen in Stadt und Region, stärker aber war die Außenwahrnehmung, Gründungsausschuss und Gründungsrektorat müssten andauernd an der Obrigkeit herumnörgeln.

Es entstand und verfestigte sich ein negatives Klischee der Gründerzeit und ihrer Akteure. Die „vernünftige“ Universität schien sich erst in der nachfolgenden Präsidentschaft zu entwickeln, eine Wahrnehmung, die der neuen Universitätsleitung nur guttun konnte, aber zur Fortschreibung der Wahrnehmung einer „roten und chaotischen“ Gründerphase führte.

Die Gründer selbst waren gefangen in ihrem als wichtig wahrgenommenen Elan, eine „Reformuniversität“ gegen eine weitgehend ablehnende Außenwelt zu gestalten. Wir selbst waren in den Anfangsjahren zu wenig auf Außenwirkung bedacht und haben zu wenig in die Öffentlichkeit hineingewirkt, uns ihr gegenüber zu wenig erklärt. Es bleibt aber die Frage, ob angesichts einer mit Vorurteilen gegenüber dieser Universitätsgründung gefestigten Phalanx eine stärkere Aufklärung über die Reformziele auf Resonanz gestoßen wäre.

Vom Ende her betrachtet halte ich fest: Bei meinem und meines Stellvertreters Ausscheiden aus der Universitätsleitung gab es eine funktionierende Hochschule mit 4.905 eingeschriebenen Studierenden (Stand Juni 1979) und neben den das gesamte Fächerspektrum umfassenden Lehramtsstudiengängen immerhin acht neue Diplomstudiengänge und drei Diplom-Aufbaustudiengänge. Die Einphasige Lehrerausbildung (ELAB) war ein von Sachkennern geschätzter Modellversuch. Planung und Finanzierung der ab 1980 realisierten Neubauten im Zentralbereich am Uhlhornsweg mit 107,6 Millionen D-Mark Baukosten harrten der Verwirklichung. Die Aufbauarbeit des Gründungsjahrzehnts war nicht vergebens.

Die Zeit im Gründungsausschuss (1971-1974)

Als wir nach der Konstituierung des Gründungsausschusses am 26. März 1971 die Arbeit aufnahmen, konnten wir nicht ahnen, dass die Gründungsphase bis zum Frühjahr 1974 dauern würde. Wir: Das war eine fünfzehnköpfige Mannschaft, von denen sechs von der damaligen Abteilung Oldenburg der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen (PHN) gestellt wurden, zwei waren Mitglieder der Fachhochschule Oldenburg und sieben auswärtige Wissenschaftler und Studierende. Fast revolutionär muss es gewirkt haben, dass der Gründungsausschuss drittelparitätisch besetzt war: zu je einem Drittel Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten. Diese Parität bestand bis zum Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1973. Danach setzte sich der Gründungsausschuss in erweiterter Runde aus zehn Hochschullehrern, fünf wissenschaftlichen Mitarbeitern, fünf Studenten sowie zwei sonstigen Mitarbeitern zusammen. Der Gründungsauschuss kam bis zu seiner Auflösung im März 1974 zu 47 zwei- oder dreitägigen Sitzungen zusammen.

Für mich selbst war es überraschend, als einer der beiden Hochschullehrer der Pädagogischen Hochschule vom damaligen Kultusminister Prof. Dr. Peter von Oertzen in den Gründungsausschuss berufen zu werden. Denn ich war nicht einer der im Kampf um eine Universitätsgründung seit Jahren gestählten Kollegen der Oldenburger Hochschule wie vor allem Hermann Helmers, Hans-Dietrich Raapke oder Wolfgang Schulenberg. Ich war erst im April 1970 als Dreißigjähriger, damit Benjamin des Kollegiums, nach Oldenburg auf den Lehrstuhl für Geographie gekommen. Ich verfügte nicht über große Erfahrungen im Diskurs um notwendige Hochschulreformen wie etwa Mitglieder der Bundesassistentenkonferenz oder der Verfassten Studentenschaften, die ihr Wissen in den Gründungsprozess einbringen konnten. Ich war nicht aktiver Teil der Studentenbewegung
gewesen, wohl aber Hinzulernender im Strudel der Aktionen und Demonstrationen dieser Tage. Als junger Hochschuldozent war ich 1969 in meinem ersten Semester als Lehrender in Berlin mit dem erbitterten Widerstand gegen die Notstandsgesetze konfrontiert. Der Hörsaal war mit Ketten verriegelt worden und wir zur Diskussion zu diesem Thema genötigt. Auch diese Erfahrung war lehrreich. Vielleicht versprach meine Person, etwas frischen Wind aus dem politisch hochtourigeren Berlin nach Oldenburg zu tragen. Sensibilisiert und offen für die Notwendigkeit einer Universitätsgründung als Reformalternative zur klassischen Universität war ich allemal.

So sehe ich mich – vielleicht noch etwas verloren – zwischen Kollegen, die sich aus Reformdiskussionen oder den Oldenburger Jahren des Kampfes um die Universität vertraut waren, im braven Anzug und noch ohne Bart auf der konstituierenden Sitzung des Gründungsausschusses in Hannover am 17. Februar 1971. Mein Äußeres veränderte sich danach in Richtung des Bildes, das in der Außenwahrnehmung das Bild des „Revoluzzers“ bedienen konnte, wenn man ein einfaches Klischee haben wollte.

Die interessierte Öffentlichkeit, nicht nur die dem Gründungsprozess ohnehin ablehnend gegenüberstehenden bildungsbürgerlichen Kreise und konservativen Politiker, konnte schwer verstehen, dass trotz professoraler Minderheit aufgrund der Drittelparität sachkundige Planung und Entscheidungen zustande kommen konnten. Mir ist jedoch nicht erinnerlich, dass wichtige Diskussionen und Beschlüsse nach Statusgrenzen gefallen wären. Die meisten inhaltlichen Festlegungen zur Studiengangsplanung, Organisationsstruktur der Wissenschaft und zu Dienstleistungen sowie zu Schwerpunkten der Forschung erfolgten mit unterschiedlichen Mehrheiten quer zu den Statusgruppen einer Universität.

Der wichtigste Vorteil einer gleichberechtigten Teilhabe von jungen Nachwuchswissenschaftlern und Studenten an der Gründung lag darin, dass sie Reforminitiativen und fachliche Prioritäten in die Diskussion brachten, die häufig quer zum wissenschaftlichen Mainstream lagen, aber innovatives Potenzial für eine zukünftige Profilbildung der Universität besaßen. Beispielsweise eilte die Fokussierung auf umweltwissenschaftliche Themen in den Sozial-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften ihrer Zeit voraus.

Aufgabenfülle für das Ehrenamt

Was aber hatte der Gründungsausschuss zu leisten und wie konnte er der Aufgabenfülle gerecht werden? In einer ersten Planungsphase von März bis September 1971 entwickelte er die Grobstruktur der künftigen Universität und eine dazu passende Arbeitsorganisation. Praktisch ging es darum, in diesen ersten fünf Monaten die Einstellung des Personals, vor allem der hauptberuflichen Planer und ersten nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter sowie die Wahl zahlreicher Kommissionsmitglieder zu bewerkstelligen, sich aber auch um einfache Aufgaben wie die Anschaffung einer Büroeinrichtung zu bemühen. Der eigentlich für die Verwaltung der beiden Neugründungen beauftragte Kanzler der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen (PHN) saß in Hannover und weilte nur sporadisch ohne großes Engagement in Oldenburg. Die Verwaltungsarbeit kam auf die drei Vorstände des Gründungsauschusses und unsere kleine Geschäftsstelle zu.

Die zweite Arbeitsphase bis zum Sommer 1972 war inhaltlich und organisatorisch entscheidend. Denn jetzt ging es um die Implementierung der für wesentlich gehaltenen Reformelemente. So wurden zum einen in den Planungskommissionen mögliche Studiengänge nach ihrem Bezug zu gesellschaftlichen Praxisfeldern ausgerichtet. Und ebenso waren sich entwickelnde neue Ansprüche aus fachlicher Forschung und hochschuldidaktischen Innovationen in die Curricula einzubringen. Daraus folgerte zum anderen ein Modell für das Studium und die Universitätsorganisation zu finden, dass sich den finanziellen Möglichkeiten stellte und doch Reformen von Forschung und Lehre öffnen konnte. Die damals noch geplante Integration des neuen Universitätsnukleus mit der Pädagogischen Hoch-
schule und den regionalen Fachhochschulen zu einer Gesamthochschule, das Modell der „Einphasigen Lehrerausbildung“ und die Idee des Projektstudiums, Prinzipien der Universitätsstruktur und Mitbestimmung, die später Basis der Grundordnung werden sollten wie auch neue Zugangsmöglichkeiten für Studierende ohne Abitur. Dies alles waren Herausforderungen, für die der Gründungsauschuss umsetzbare Strukturen finden musste.

In der dritten Phase mussten die ausformulierten Lehrinhalte in Studiengangsplanungen mit zugehörenden Prüfungs- und Studienordnungen umgesetzt werden, eine Arbeit, die dann von einzelnen Studienkommissionen zu Ende geführt worden ist. Parallel zu der inhaltlichen Planung wurde an der Gestaltung der notwendigen Infrastrukturen gearbeitet:

  • Im Bauausschuss waren es die Planungsschritte „Baubestandserhebung und Bedarfseinschätzung“ im Abgleich mit Studienplatzzielzahlen, ein „Bedarfsprogramm für Schnellbaumaßnahmen“, die „Anmeldung zum zweiten Hochschulrahmenplan“ und die „Planung des Allgemeinen Aufbau- und Verfügungszentrums“(AVZ).
  • Im Unterausschuss Bibliotheks- und Informationssystem (BIS) wurde zunächst eine Bestandsaufnahme an den Bibliothekseinrichtungen in Oldenburg erstellt und dann Leitsätze einer Struktur des zukünftigen BIS erarbeitet. Das BIS selbst war damals ein gegenüber klassischen Universitätsbibliotheken völlig neues Organisationsmodell.
  • In der Unterkommission Sozialwerk, das weit mehr als nur eine Dienstleistungseinrichtung für Studierende sein sollte, konzentrierte sich die Arbeit auf die Analyse der sozialen Lage der Studenten und eine Bestandsaufnahme der sozialen Einrichtungen sowie der zukünftigen Bedarfe.

Mit Stand 31. Dezember 1971 waren nach meiner Recherche 134 Mitglieder in die Strukturkommission, die fünf Planungskommissionen, in vier Unterkommissionen und zehn Berufungskommissionen gewählt worden, die alle mit ihrer Arbeit begonnen hatten. Dieser verzweigten „Planungsmaschinerie“ standen der Vorstand des Gründungsausschusses und dessen fünfzehn Mitglieder (ab Juni 1973 zwanzig Mitglieder) – allesamt ehrenamtlich arbeitend – gegenüber. Dazu kamen hauptamtlich eine Regierungsoberinspektorin, fünf Schreibkräfte und zwei wissenschaftliche Hilfskräfte sowie vier Planer.

Es war also eine sehr kleine Planungsmannschaft, die die Errichtung der Universität zu bewerkstelligen hatte. Welches größere Unternehmen würde mit einer so bescheidenen Planungskapazität den Aufbau eines Großbetriebs leisten können?

Rekrutierung wissenschaftlichen Personals

Die aufwändigste Arbeit betraf die Etablierung eines Grundstocks an wissenschaftlichem Personal. Der Lehrkörper der Abteilung Oldenburg der PHN umfasste im wissenschaftlichen Bereich 87 Stellen, davon 48 im Mittelbau. Ab 1973 gab es enorme Zuwachsraten. Allein im wissenschaftlichen Bereich wurden in diesem Jahr 108 neue Stellen geschaffen, danach bis 1979 weitere 166. Noch stärker wuchs die Zahl der Stellen im Dienstleistungsbereich zur Schaffung einer erträglichen Infrastruktur.

Die zehn Berufungskommissionen dürften allein in der Gründungsausschusszeit von 1972 bis Frühjahr 1974 mit fast neunzig Verfahren zu tun gehabt haben. Geht man davon aus, dass an der Universität Oldenburg wie an jeder anderen Hochschule Wissenschaftler ihre fachlichen und hochschulpolitischen Interessen durchzusetzen versuchen, ist klar, dass es bei Stellenbesetzungen zu harten Auseinandersetzungen in der Kommission und im Gründungsausschuss kommen konnte. Dennoch würde ich für die große Mehrzahl der Berufungen meinen, dass die Verfahren zur Auswahl qualifizierter Wissenschaftler führten, mit einigen Ausnahmen, bei denen Berufungslisten der ersten Jahre nicht überzeugend geraten waren. Die Zusammensetzung der Kommissionen mit mehreren auswärtigen Wissenschaftlern, die Beteiligung gestandener Kollegen der Abteilung Oldenburg der PHN und die hochschulpolitisch pluralistische Besetzung jeder Kommission erzeugten einen Filter, der meistens zu angemessenen Entscheidungen führte.

Doch blieb es nicht aus, dass sich häufig zwei unterschiedliche Welten begegneten, wenn sich auswärtige Hochschullehrer in Planungs- oder Berufungskommissionen wählen ließen. Die Gründung der Reformuniversität Oldenburg wollte sich vom Standard traditioneller Universitäten abheben. Das betraf Gestaltungsimperative und die Organisation von Forschung und Lehre. Als solche wären zu nennen: die Beteiligung aller Statusgruppen bei Entscheidungen zu Inhalten und Vermittlungsformen wissenschaftlicher Arbeit, hochschuldidaktische Innovationen im Sinne forschenden Lernens und dessen Organisation im Projektstudium, die Orientierung von Forschung und Lehre an gesellschaftsrelevanten Problemstellungen.

1972 – Vor dem Anfang schon fast das Ende

Für das Haushaltsjahr 1971 waren 21 wissenschaftliche Stellen genehmigt worden. Daraufhin konnten die ersten Berufenen nach Mitte 1972 den Dienst antreten. Die Freude war groß, denn somit wurde offensichtlich: Die Gründung nimmt Fahrt auf. Ihren Arbeitsbeginn empfanden die Neuberufenen jedoch nicht mit gleicher Freude. Denn sie konnten sich nicht mit vollem Elan am Gründungsgeschehen beteiligen, sondern mussten erst einmal den materiellen Boden in Form von Raum, Sachausstattung und Schreibdienst für sich erkämpfen. Ein Schreiben des Kultusministeriums, damals auch für den Hochschulbereich zuständig, antwortet 1972 einem neuberufenen Hochschullehrer: „1. Den Hochschullehrern wird nach Fertigstellung des Aufbau- und Verfügungszentrums [Oktober 1975!! d. Verf.] ein Dienstzimmer zur Verfügung stehen ... Zunächst muss leider eine provisorische Unterbringung erfolgen. 2. Die Textverarbeitungskapazität ist im Jahre 1973 noch sehr beschränkt. Den Einsatz wissenschaftlicher Hilfskräfte zum Schreiben schwieriger wissenschaftlicher Texte halte ich für zulässig. 3. Aus der Titelgruppe 71 können für Lehrstuhlinhaber allenfalls kleine Reiseschreibmaschinen beschafft werden ...“

Soweit die trockene Sprache der Ministerialbürokratie. Wir konnten mitfühlen, welchen Schock dieser unfreundliche Empfang bei den Neuberufenen ausgelöst hat. Helfen konnten wir nicht, denn Haushaltsmittel konnten wir nicht verteilen.

Während die kritische Öffentlichkeit von außen bereits Mitte der siebziger Jahre begann, wissenschaftliche (Höchst-)Leistungen von der Universitätsgründung einzufordern, waren die vor Ort tätigen Hochschullehrer und Angehörigen des Mittelbaus damit beschäftigt, Studiengänge und Forschungsschwerpunkte zu planen – und dies ohne den notwendigen materiellen Unterbau. Besonders betroffen waren die Naturwissenschaftler, die erst Ende 1975 im Aufbau- und Verfügungszentrum ihre ersten Labors beziehen konnten, nachdem sie diese zusammen mit dem Bauplaner hatten planen dürfen.

Aber immerhin – es schien aufwärts zu gehen im ersten Gründerjahr 1971. Denn in der siebten Sitzung des Gründungsausschusses am 8./9. Juli 1971 wurden 96 neue Stellen für Lehre und Forschung und 53 Stellen für nichtwissenschaftliches Personal zugesagt. Die kalte Dusche folgte fünf Monate später: Die Nordwest-Zeitung konnte am 8. Dezember 1971 mit der Schlagzeile aufwarten: „Universität Oldenburg wird 1972 nicht gebaut“. In der Tat hatte das Kabinett am Vortag in Hannover beschlossen, den Bau der Universitäten in Oldenburg und Osnabrück „zurückzustellen“. Die Regierung war offensichtlich zu der Einsicht gelangt, dass eine Hochschulgründung nicht ausschließlich mit Erstinvestitionen errichtet, sondern dann nur mit jährlich erheblichen Folgekosten betrieben werden konnte.

Dass wir Mitglieder des Gründungsausschusses sehr niedergeschlagen waren und bei einzelnen kurz der Gedanke aufkam, als Gründungsgremium zurückzutreten, ist wohl nachvollziehbar. Hinzu kam, dass das zähe Ringen um einen Fachbereich Jura am 5. Oktober 1971 verloren war, als die Landesregierung sich für den Standort Hannover entschied. Die dafür in Aussicht gestellte Kompensation in Form eines Fachbereichs Zahnmedizin ließ sich, wie man weiß, ebenso wenig verwirklichen. Der Gründungsausschuss hatte in der Hoffnung auf den Aufbau eines medizinischen Fachbereichs von Anfang an eine „Planungskommission Medizin“ eingerichtet, der Vertreter der Oldenburger Kliniken angehörten wie auch auswärtige Mediziner aus Universitätskliniken. Das Bemühen um eine medizinische Ausbildungsstätte geht also bis auf das Jahr 1971 zurück.

Der Tiefschlag aus Hannover löste vor Ort Betroffenheit aus, selbst bei der Nordwest-Zeitung, die der Hochschulgründung damals äußerst kritisch gegenüberstand. Sie sprach von einem „Skandal“. Die Gefahr, dass die Universitätsgründung noch scheitern könnte, wurde allerdings nicht überall in Oldenburg und der Region als Katastrophe empfunden. Gab es doch seit dem 17. Dezember 1965 die „Gesellschaft der Freunde einer Universität in Oldenburg“, kurz „Förderkreis“ genannt, der zusammen mit der „Nordwestdeutschen Universitätsgesellschaft Wilhelmshaven“ im Juni 1969 den Plan für eine „Nord-West-Universität“ mit Naturwissenschaften und Medizin in Wilhelmshaven und Geisteswissenschaften in Oldenburg vorgelegt hatte. Die Pädagogische Hochschule schien dem „Förderkreis“ kein adäquater Ausgangspunkt für die Entwicklung zu einer „Volluniversität“ zu sein. Unter seinem damaligen Vorsitzenden, dem Vorstand der EWE, wurde gegen das Wirken des Gründungsauschuss öffentlich scharf polemisiert, was es für den Ausschuss schwer machte, für den Fortgang der Hochschulentwicklung zu kämpfen.

Doch in dieser Situation zeigte sich zum ersten Mal die Widerstandskraft von innen heraus, die in Form öffentlichen Protests eine Mobilisierung pro Universitätsausbau bewirkte. Am 15. Dezember 1971 fand in der Innenstadt eine Kundgebung statt mit mehr als 2.000 Oldenburgern aus der Universität, aber auch der Stadt. Vorbereitet war die Kundgebung durch ein „Aktionskomitee für eine Reformuniversität Oldenburg“. Selbst die Westdeutsche Rektorenkonferenz schaltete sich mit deutlichem Protest ein: Sie „wendet sich mit Entschiedenheit gegen den Beschluss des Niedersächsischen Kabinetts, alle finanziellen Mittel für die Hochschulen des Landes mindestens für 1972 zu streichen … Besonders betroffen sind die beiden im Aufbau befindlichen Universitäten, die einen wichtigen Beitrag zur Infrastruktur des traditionell benachteiligten nordwestdeutschen Raums leisten sollen.“

Die Stimmung zur Kundgebung war aufgeheizt. Dafür hatten auch flotte Sprüche wie „Die Unternehmer brauchen Deppen aus nordwestdeutschen Bildungssteppen“ gesorgt, ein Spruch, der an der Rückwand der Aula hing. Auf der Kundgebung sprach neben Oberbürgermeister Hans Fleischer und Vertretern des Gründungsausschusses auch der damalige SPD-Abgeordnete Joist Grolle: „Die Landesregierung mag beschließen, was sie will, die Realität der Universität in den Köpfen und Herzen der Menschen dieser Stadt und dieses Raumes wird sie nicht mehr umbringen können.“

Der Hebel, den Stillstand des Universitätsaufbaus zu überwinden, wurde vom Gründungsausschuss in einer möglichst raschen Integration der PH-Abteilung in die Universität gesehen: „Integration zum Wintersemester 1972“ lautete deshalb der Beschluss in jener Sitzung, mit dem man die entscheidende formale Fixierung zur Universitätsgründung hin erzwingen wollte. Dass diese Strategie letztlich der erfolgreiche Weg war, zeigte die Zukunft.

Noch aber, Anfang 1972, musste der Gründungsausschuss nach vergeblichen Interventionen hinnehmen, dass der für das Wintersemester 1972/73 geplante Beginn der neuen Universitätsstudiengänge auf das Wintersemester 1973/74 verschoben werden sollte.

Immerhin haben wir uns in dieser Zeit – ohne jegliche professionelle PR-Ressourcen, wie man heute sagen würde – um Öffentlichkeitsarbeit bemüht. Bleibendes Zeugnis dafür ist die vom Gründungsausschuss herausgegebene Schrift „Reformuniversität Oldenburg – ein Modell wird zur Alternative“. Das auch im Layout ansprechende Produkt schildert ausführlich die Segmente der auf Reformzielen und regionalem Nachholbedarf an tertiärer Bildung fußenden materiellen, personellen und didaktischen Planungsarbeit.

Die Wende zum Besseren

Ebenso, wie letztlich die Abteilung Oldenburg der PH Niedersachsen das Fundament war, dessen Integration in die sich bildende Universität den Gründungsprozess entscheidend stabilisierte, war es der „Modellversuch Einphasige, Integrierte Lehrerausbildung“ (ELAB), der eine positive Wende der Hochschulentwicklung einleitete. Die konstruktive Wirkung der ELAB war dreifach: Zum ersten war das Reformmodell fast revolutionär, weil jetzt Lehrer nicht mehr getrennt nach Schularten, sondern gemeinsam nach Schulstufen gegliedert ausgebildet werden sollten. Für alle Lehrer waren nicht nur fachwissenschaftliche Anteile verbindlich, sondern gleichermaßen eine erziehungs- und gesellschaftliche sowie fachdidaktische Qualifizierung. Zweitens sollte die passende Organisation der Ausbildung im Projektstudium erfolgen. Vor allem aber sorgte die Einphasigkeit des Studiums dafür, dass im fünfjährigen Ausbildungsgang in drei Zeitstufen die schulpraktische Qualifizierung und damit das im traditionellen Studium nach dem ersten Examen nachfolgende Referendariat in den Studienverlauf integriert wurde.

Der Modellversuch war für die Landesregierung eine hilfreiche Unterstützung, die Orientierungsstufe (5./6. Schuljahr) durchzusetzen und mit der Errichtung von Gesamtschulen zu beginnen. Die Universität profitierte, weil zur ELAB das ganze schulische Fächerspektrum gehörte. Dafür mussten fachwissenschaftliche Ausbildungsanteile für zukünftige Lehrer bis zur gymnasialen Oberstufe angeboten werden. Also war es naheliegend, parallel zum Lehramtsstudium entsprechende Diplomstudiengänge einzurichten.

Groß war unsere Freude, als der Niedersächsische Kultusminister Mitte Juni 1972 beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft den Antrag auf einen Bundeszuschuss gestellt hatte. Mit den Bundesmitteln von über 2,3 Millionen D-Mark und dem Eigenanteil des Landes Niedersachsen standen so für die Jahre 1972 bis 1975 über 3 Millionen D-Mark zur Realisierung des Modellversuchs zur
Verfügung.

Ein weiterer Gunstfaktor der Universitätsgründung kam hinzu: Am 20. April 1972 wurde die „Universitätsgesellschaft Oldenburg“ gegründet und der aus unserer Planungskommission Medizin bereits bekannte Privatdozent Dr. Hans-Arnold Simon, Direktor der Kinderklinik, zum ersten Vorsitzenden gewählt. Er stand für eine nüchterne sachliche Zusammenarbeit von Repräsentanten des öffentlichen Lebens und den im Gründungsgeschehen engagierten Wissenschaftlern und Studenten. Sein freundlicher, auf Ausgleich bedachter Kommunikationsstil brachte es mit sich, dass die geschilderte Ablehnungsfront gegenüber der Universität weniger geschlossen war und einige der Mitglieder des „Förderkreises“ sich fortan in der Universitätsgesellschaft engagierten.

Zum 1. Oktober 1972 wurde der Oldenburger Hochschulkollege und Landtagsabgeordnete der SPD, Joist Grolle, zum Staatssekretär im Kultusministerium ernannt. Da er für Hochschulbelange zuständig war, hatte jetzt der Gründungsausschuss einen Ansprechpartner, der für die Errichtung der Universität eintrat. Ob maßgeblich durch Grolle ausgelöst oder einer sich entspannenden Finanzlage des Landes geschuldet, jedenfalls konnte der Gründungsausschuss auf seiner 25. Sitzung im Oktober die Mitteilung entgegennehmen, dass im Haushaltsjahr 1973 108 neue Stellen zu erwarten seien. Auf der 27. Sitzung im Dezember 1972 wurden für 1974 weitere 145 Stellen angekündigt. In ihrer Geschichte hat die Universität Oldenburg nie wieder so hohe Zuwachsraten erreichen können.

Eine in ruhigeren Bahnen verlaufende Planungsphase schien zu erwarten zu sein. Doch neuer Zwist stand ins Haus, der dieses Mal auch die Zusammenarbeit im Gründungsausschuss betraf.

Holpriger Weg zur Integration der PH

Seit dem Frühjahr 1972 schwelte im Gründungsausschuss der Streit wie das Ziel einer Gesamthochschule erreichbar sei: ein Stufenmodell mit der Einbeziehung der PH-Abteilung zuerst, und danach der Integration der Fachhochschulen über die Einrichtung ingenieurwissenschaftlicher Studiengänge, oder aber die Integration von PH-Abteilung und Fachhochschulen in einem Zuge. Den Hannoveraner Vertretern lagen die Ingenieurwissenschaften am Herzen. Insofern bevorzugten sie eine Integration aus einem Guss. Der „Integrationsausschuss“ des Gründungsausschusses hatte hingegen mehrheitlich für die Perspektive votiert, zunächst als Kernbestand der neuen Universität die Integration der PH-Abteilung zu sichern. Demgegenüber hatte sich der Osnabrücker Gründungsausschuss stets auf eine vorrangige Integration der dortigen Fachhochschule konzentriert.

Zum Jahreswechsel 1972 auf 1973 traf der sogenannte Integrationserlass beim Gründungsausschuss ein, der die Modalitäten der Verschmelzung von PH-Abteilung und Universität beschrieb. Mit der Integrationsabsicht wären die Wahlen zu den ersten Kollegialorganen verbunden gewesen und die Aufnahme des universitären Studienbeginns zum Wintersemester 1973/74. Dieser „Integrationsbrief“ wurde jedoch als juristisch nicht sattelfest eingeschätzt, worauf das Ministerium zur 32. Sitzung des Gründungsauschusses am 3. Mai 1973 einen „Vorentwurf eines Gesetzentwurfes über die Errichtung der Universitäten Oldenburg und Osnabrück“ vorlegte. Dieser wurde intensiv vom Gründungsausschuss beraten mit der Folge, dass der Kultusminister im September 1973 einen überarbeiteten Gesetzentwurf vorlegte. Dieses „Gesetz über die Organisation der Universitäten Oldenburg und Osnabrück“ wurde im Landtag mit knapper Mehrheit der SPD-Fraktion gegen geschlossenen Widerstand der CDU-Fraktion beschlossen und trat am 5. Dezember 1973 in Kraft. Damit war das juristische Fundament der Universitätsgründung gelegt!

Aus einem anderen Grund war jedoch ein einvernehmlicher Abschluss der Beratungen um das Integrationsgesetz in Gefahr. Am 29. Mai 1973 hatte das Bundesverfassungsgericht die Paritätenregelung des „Vorschaltgesetzes für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz“ aus dem Jahr 1971 für verfassungswidrig erklärt. Diese Entscheidung traf ein Kernstück der Universitätsgründung: die Drittelparität (fünf Hochschullehrer, fünf wissenschaftliche Mitarbeiter, fünf Studierende). Die Frage, ob der Gründungsausschuss unter veränderter Parität und dem Umstand, dass die Hochschullehrer in Fragen von Forschung und Lehre nicht überstimmt werden dürfen, weiterarbeiten solle oder nicht, bestimmte von da an fünf Sitzungen lang die Debatten des Gremiums. Es ging um das lange selbstverständliche Selbstverständnis des kollegialen Zusammenwirkens aller Mitglieder. Während sich die Osnabrücker Gründungsausschussmitglieder für einen Rücktritt entschieden hatten, wählten wir Oldenburger einen realistischeren Weg: Mit sieben Ja- zu drei Nein-Stimmen sowie drei Enthaltungen wurde die neue Paritätenregelung im Juli hingenommen. Wenn ich mich rückblickend frage, ob die bis zum Sommer 1973 praktizierte Drittelparität der Universitätsgründung genutzt oder geschadet hat, würde ich zu ersterer Meinung neigen. In den damaligen Gründerjahren hatten die Vertreter aller Statusgruppen einen festen Fundus gemeinsamer Reformvorstellungen und den Willen, diese umzusetzen. Sie wussten, worüber sie sprachen und entschieden. Deshalb konnten auch die studentischen Mitglieder auf gleicher Augenhöhe und mit häufig eigenen innovativen Anregungen den Planungsprozess mitbestimmen.

Ein kurzer Rekurs: Die Namensgebung

Es war ein studentisches Mitglied, Hans Henning Adler, das am 6. Juni 1972 den Vorschlag in die Strukturkommission des Gründungsausschusses einbrachte, unsere Reformuniversität nach dem Friedensnobelpreisträger der Jahre 1935/36, Carl von Ossietzky, zu benennen. Diese schlug dem Gründungsausschuss am 25. Oktober 1972 im Text eines ersten Entwurfs einer Grundordnung den Namen „Carl von Ossietzky Universität Oldenburg“ vor. Die erste öffentliche Erwähnung des Namenswunsches vom 16. Februar 1973 durch Rüdiger Meyenberg setzte schließlich den Startschuss zum viele Jahre währenden „Namensstreit“. Ausgelöst wurde die öffentliche Debatte über eine
Glosse von „Theobald“ in der Nordwest-Zeitung vom 29. Dezember 1972, die dem ernsten Ansinnen der Namensgebung sicher nicht gerecht wurde und nur das Vorspiel zum Preisausschreiben der gleichen Zeitung vom 30. April 1973 war, die Bevölkerung über unterschiedliche Namensvorschläge abstimmen zu lassen. Das Resultat ist bekannt: Carl von Ossietzky rangierte erst an vierter Stelle hinter „kein Name“, Graf Anton Günther und Karl Jaspers.

So fing die unendliche Geschichte um den Namen Carl von Ossietzky recht harmlos an. Im Gründungsausschuss war die Namensgebung nur ein Thema unter vielen, das seine Zeit hatte, bevor es öffentlich wurde. In der Öffentlichkeit wurde es zwar durch die Aktionen der Nordwest-Zeitung allmählich bekannt, gewann an Brisanz aber erst, als die Grundordnung der Universität Oldenburg am 1. Februar 1975 durch das Ministerium „vorläufig“ genehmigt worden war, ohne die im §1 niedergelegte Benennung nach Carl von Ossietzky. Es war bekannt, dass Kultusminister von Oertzen grundsätzlich gegen Namensgebungen für Hochschulen war. So blieb das Thema „vorläufig“ in der Schwebe.

Ich möchte die gesamte Leidensgeschichte, die die Namensgebung bis zu meinem Rücktritt als Gründungsrektor im Herbst 1979 zu durchleben hatte, in meinem Beitrag nicht weiterverfolgen. Viel ist darüber geschrieben worden. Und in Rainer Rheudes alle Facetten ausleuchtende Arbeit von 2009 „Kalter Krieg um Ossietzky“, (Oldenburg 2008), sind sämtliche relevanten Stationen und Positionen ausführlich beschrieben. Nur so viel:

Im Kontext der Einschränkungen von Wissenschaftsfreiheit durch den Radikalenerlass von 1972 standen die ersten „Ossietzky-Tage“, die wir am 4. und 5. Mai 1978 in Oldenburg organisiert hatten. Anlass war der 40. Todestag des Friedensnobelpreisträgers der Jahre 1935/36. In diesem Rahmen wurde das Ossietzky-Mahnmal mit dem Symbol des Stacheldrahtknotens an der Ammerländer Heerstraße enthüllt, und die Liga für Menschenrechte verlieh in der Universität die Carl von Ossietzky Medaillen an Willi Bleicher, den legendären ehemaligen Leiter des Tarifbezirks Nordwürttemberg-Nordbaden der IG Metall, und an den Bundesverfassungsrichter Helmut Simon. In ihren eindrucksvollen Beiträgen und durch die Anwesenheit unter anderem des ehemaligen Berliner Ersten Bürgermeisters Pastor Heinrich Albertz und Heinz Oskar Vetter, den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, fühlten wir uns gestärkt, in unseren Willen zur Namensgebung und dem Widerstand gegen Berufsverbote nicht nachzulassen.

Mir selbst ist Willi Bleicher, Insasse im Konzentrationslager Buchenwald, der dort in einem Versteck einem kleinen Jungen das Leben rettete, durch die schlichte Klarheit und Klugheit seiner Worte in Erinnerung geblieben. Ein Bild von ihm hing in meinem Arbeitszimmer in der Hochschule, sehr zum Erstaunen der jungen Studenten, denen ich deswegen häufiger vom Sinn der Namensgebung erzählen konnte. Ihrer wissenschaftlichen Verpflichtung ist die Universität mit der kritischen Gesamtausgabe der Texte Ossietzkys 1994 nachgekommen.

Das Ende des Gründungsausschusses

Zum August 1973 trat der Gründungsausschuss in – durch die Änderung der Paritäten erzwungener – erweiterter Größe zusammen: 22 Mitglieder, drei zusätzliche Hochschullehrer aus der PHN-Abteilung
Oldenburg und vier aus dem Kreis der neuberufenen Hochschullehrer. Zwei nichtwissenschaftliche Mitarbeiter kamen mit beratender Stimme hinzu. In dieser Zusammensetzung fanden noch zehn Sitzungen statt. Doch leider – so fand ich – war die fast familiäre Vertrautheit des kleineren Gründungsausschusses verloren gegangen. Zwar war bei allen Mitgliedern der Wille vorhanden, nun wenigstens zum Sommersemester 1974 die Universität eröffnen zu können. Und es waren auch wesentliche Grundpfeiler des Gründungsprozesses – Personalplanung, hochschuldidaktisches Konzept, Organisationsgesetz, Organisation der Dienstleistungsbereiche – ausgehandelt und festgezurrt.

Dennoch entwickelten sich bei den jetzt immer konkreter werdenden Planungen und Entscheidungen kontroverse, bisweilen unversöhnliche Positionen. Hauptfelder dafür waren die zahlreichen Berufungsverfahren für die Stellen aus dem Haushaltsjahr 1973 und die Stellenwidmungen für das Haushaltsjahr 1974. Hierbei verschnitten sich fachlich konkurrierende mit hochschulpolitisch divergierenden Interessen. Weiterer Zündstoff bot die curriculare Planung der neuen Studiengänge. Ebenso sollte sich die entmutigende Schlussfolgerung bewahrheiten, die der Vorsitzende, Hans Peter Riesche, bereits Anfang März 1973 im Gründungsausschuss geäußert hatte: „Rechtswissenschaft – schon vor einem Jahr gestorben, Medizin – wird es nicht geben, Technik – den Bach runter.“

War es eine Portion Resignation oder die stärker hervortretende Fraktionierung im Gründungsauschuss – oder beides? Hans Peter Riesche wurde als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf der Sitzung am 5. Dezember 1973 ebenso wie der studentische Vertreter Rüdiger Meyenberg wieder in den Vorstand gewählt. Ich sah mich einem Kollegen aus dem Kreis der Neuberufenen, Dieter Schuller, als weiterem Kandidaten gegenüber und wurde knapp wiedergewählt. Die gleichzeitig stattfindende Wahl eines „Übergangsrektors“, der bis zum Antritt des Gründungsrektors fungieren sollte, entschied knapp Wolfgang Sprockhoff aus der PHN-Abteilung gegen Irene Pieper-Seier als Neuberufene für sich. So hatten sich bei den Hochschullehrern die Vertreter der Pädagogischen Hochschule durchgesetzt, auch wenn sie im Gründungsausschuss nicht die Mehrheit stellten. Hans Peter Riesche nahm die Wahlergebnisse, vor allem die Wahl Sprockhoffs, zum Anlass, nicht mehr das Amt als Vorsitzender anzutreten. Daraufhin wurde aus der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter für den Rest der Amtszeit des Gründungsausschusses Jürgen Weißbach zum Vorsitzenden gewählt.

Die Wahlen waren ein Vorgeschmack auf die künftigen politischen Gruppierungen und für mich persönlich die Aussicht, bei der Rektorwahl am 18. April 1974 gegen einen Gegenkandidaten antreten zu müssen. So ist es auch gekommen. Es gab zum ersten Mal einen scharf geführten kurzen Wahlkampf, bei dem ich die Positionen einer realistisch an den Außenbedingungen orientierten Entwicklungsperspektive vertrat. Dies war nicht so populär wie Versprechungen des Gegenkandidaten, der allen Hochschulangehörigen eine neue Welt der Universität jenseits traditioneller Maßstäbe in Aussicht stellte. Die Universität bewies Realitätssinn und wählte mich mit großer Mehrheit.

Blicke ich auf die Zeit im Gründungsausschuss zurück, komme ich zu dem Schluss: Sie war spannend und wahrscheinlich in dieser personellen Konstellation einmalig. Sie hat konkrete Arbeit mit gutem Resultat gebracht. Und es war bei aller (Über-)Forderung eine Zeit, in der wir auch fröhlich waren: wenn wir beispielsweise zum Wochenende hin, nachdem die vielen auswärtigen Mitglieder von Kommissionen uns verlassen hatten, mit unserem roten Genever anstießen oder uns unter das Volk mischten, auf den vielen kleinen Feten, die die Studierenden der PHN-Abteilung trefflich zu organisieren wussten.

Die Zeit als Rektor (1974-1979)

Am 1. April 1974 hatten sich Konzil und Senat konstituiert. Als danach die erste Universitätsleitung zum
1. Mai 1974 ihr Amt antrat, hatten wir Glück. Es war eine „Mannschaft“ zusammengekommen, die sich verstand und vertraute. Neben mir und dem ersten Rektorstellvertreter, dem Germanisten Wolfgang Promies, war seit Dezember 1973 Jürgen Lüthje als Kanzler der Universität tätig. Er hat in den langen Jahren seiner Arbeit unschätzbare Dienste für die Neugründung geleistet. Mit dem am 1. Oktober 1974 von mir eingestellten Gerhard Harms als Leiter der Stelle für Presse und Öffentlichkeitsarbeit trat ein weiterer Mitarbeiter in unser Team, der neben seiner originären Aufgabe bald als Kommunikator in unterschiedliche politische und fachliche Kleinwelten der Universität hinein unersetzbar wurde. Meinhard Tebben und später Johannes Buchrucker haben als Rektoratsassistenten mit Umsicht unsere Arbeit mitgetragen. Als 1976 Friedrich W. Busch als neuer Rektorstellvertreter ins Amt kam, war sein engagierter und zupackender Arbeitsstil eine weitere Bereicherung für uns alle.

In der Falle: Überschätzte Gestaltungsspielräume

Das lange Pingpongspiel um die Genehmigung der Prüfungsordnungen war vom Studienbeginn an über zweieinhalb Jahre ein Dauerbrenner, dem ich mich zugebenermaßen nur mit viel Unlust zu widmen hatte. Denn in ihnen sollten nach meiner Meinung nur Mindestregeln für Prüfungsverfahren und die abzuleistenden wissenschaftlichen Kenntnisse festgeschrieben sein und experimentelle Spielräume der Studiengestaltung geöffnet bleiben. Viele der neuen Kollegen sahen in ihnen jedoch das Vehikel, um den Kanon innovatorischer Elemente des Oldenburger Reformmodells in einem Paket verschnürt zu verewigen: nicht nur wesentliche curriculare Bausteine, auch die Verbindlichkeit des Projektstudiums als Studienform, Gesellschaftsrelevanz und Interdisziplinarität, neue Formen der Leistungsbewertung, Stimmberechtigung von Studenten in Prüfungskommissionen.

Ich bin ein Anhänger des Projektstudiums gewesen und habe mich selbst aus meiner fachlichen Kompetenz in einem Projekt engagiert gehabt. Auch teilte ich die Absicht, teilweise punktuelle Prüfungen durch studienbegleitende Leistungsnachweise zu ersetzen. Die Auseinandersetzung mit dem Ministerium nahm jedoch Züge eines Glaubenskrieges an. Die Hartnäckigkeit der Reformer auf unserer Seite fand ihr Gegenlager im Ministerium. So kam es bis zum Regierungswechsel zu keiner Genehmigung von Prüfungsordnungen mehr, und damit war das Kind in den Brunnen gefallen, weil die seit Februar amtierende neue konservative Regierung keinen Anlass sah, der Universität innovative Spielräume zuzugestehen.

Der Streit um die Prüfungsordnungen eskalierte. Vorläufige Prüfungsordnungen, die das Ministerium Ende April der Hochschule aufzwang, führten zur Klage der Universität gegen den Oktroi beim Verwaltungsgericht Oldenburg. Mit bewundernswerter Geduld und Ausdauer vermittelte Kanzler Lüthje zwischen Fachbereichsräten, dem Senat und dem Ministerium. Ihm gelang es, alle Akteure, auch die Vertreter des Ministeriums, auf eine Kompromisslinie zu bringen. So wurden in letzter Minute vor einer gerichtlich gesetzten Frist Mitte September 1977 die Hochschulabschlüsse und Prüfungsordnungen rechtssicher gemacht. Die Universität hätte bei einer kompromissbereiteren Einigung mit der alten Landesregierung stärkere Reformkomponenten in den Studiengängen erhalten können.

Ausbauziele auf Achterbahnfahrt

Es muss der Albtraum jeder Unternehmensgründung sein, wenn der Hahn für Investitionsmittel auf- und abgedreht wird. Eine nachhaltige Perspektivplanung des Aufbaus ist damit nicht möglich. So geschah es aber der jungen Universität, wobei es in der Summe der Bewegungen insgesamt abwärts ging.

Zuerst hatte der Ausbau hoffnungsvoll begonnen: Am 10. Oktober 1975 konnte das Allgemeine Verfügungszentrum am Uhlhornsweg endlich in Betrieb genommen werden – vor allem als ein erstes Domizil für die Naturwissenschaften.

Zum 1. Dezember 1975 war das Rechenzentrum mit 18 Stellen funktionsfähig. Für die Bibliothek gab es (bis 1977 zu verausgaben) 10 Millionen D-Mark für den Aufbau eines Büchergrundbestands. Dafür standen laut Plan 1975 53 Bibliotheksstellen zur Verfügung. Im Februar 1976 wurde der Diplomstudiengang Psychologie genehmigt. Und seit Anfang 1975 gehörte der Botanische Garten zur Universität, ein Ort der Forschung und Lehre, den aber ich – wie viele andere auch – von der nahen Margaretenstraße aus zur Entspannung nutzen konnte. Entspannt schien man auch sein zu können, weil der Wissenschaftsrat nach einer Begehung im Dezember 1975 zum weiteren Ausbau neuer Hochschulen feststellte, dass die Neubaumaßnahmen für die Naturwissenschaften und Sport in Wechloy „vorbehaltlos in den Rahmenplan aufgenommen und möglichst rasch realisiert werden“ sollten. Gleiches galt als Empfehlung für den geplanten Zentralbereich am Uhlhornsweg. Als Zielzahl des Ausbaus war an 9.300 Studienplätze gedacht. Im Herbst 1976 sollte mit dem Bau der Zentralbibliothek begonnen werden. Dann aber ging es Schlag auf Schlag gegen die Universität. Ich möchte nur in Kurzform Fakten und wesentliche Auszüge aus Dokumenten aufzählen, dabei aber über ein Ereignis ausführlicher berichten:

  • Die am 7. Februar 1976 überraschend ins Amt gekommene CDU-Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Albrecht ließ am 1. März den Termin für die Anmeldung der Neubaumaßnahmen zum 6. Rahmenplan verstreichen.
  • Am 30. März berichtete ich dem Wissenschaftsminister in einer ausführlichen Stellungnahme: „Ich hoffe, dass die neue Landesregierung dem vom Wissenschaftsrat empfohlenen Ausbaukonzept ebenfalls zustimmen wird. Es ist bekannt, dass sich bislang im Süden des Landes Niedersachsen eine Konzentration von Studienplätzen gegenüber den unterversorgten Nordregionen befindet, konkret ein Verhältnis von 5:1 zugunsten Südniedersachsens … Besonders kritisch wird sich der Fehlbedarf im Bereich der Naturwissenschaften auswirken … Die Ausbildungssituation … ist schon heute sehr kritisch, da 400 naturwissenschaftlichen Studienplätzen bereits heute 780 Studenten gegenüberstehen … Bis zur Fertigstellung neuer Bauten im Jahr 1980 würden sich ca. 2.500 Studenten mit den vorhandenen wenigen Studienplätzen begnügen müssen.“
  • Unser UNI-INFO titelt am 25. März: „Die Katastrophe ist da“. Die Nachricht ist die Reaktion auf das Ergebnis einer Besprechung im Ministerium, dass das Ausbauziel von 9.300 auf 5.800 Studienplätze abgesenkt werden soll
  • Eine Senatskommission erarbeitet unter dem Titel „Aufbaustopp? Zur strukturellen Bedeutung des Universitätsausbaus in Oldenburg für den Nordwestraum“ eine ausführliche Stellungnahme. Es wird vor allem auf die bedeutende „Schrittmacherfunktion“ der Universität in einer strukturschwachen Region eingegangen.
  • Es folgt das beeindruckende einmalige Ereignis in der Geschichte der jungen Hochschule: die „Fahrrad-Demonstration“ von Oldenburg nach Hannover vom 13. bis 16. Juni 1976. Aus einem früheren Bericht von mir darf ich zitieren: „Im Juni 1976 (13.-16.6.) zieht sich eine Fahrradschlange … durch niedersächsische Kleinstädte und Dörfer auf dem Wege nach Hannover. Symbolisiert wird das Gewicht dieses Vorgangs, wenn Siedlungen zu schrumpfen scheinen angesichts der 4 Kilometer langen Demonstrationskette, die weit über die Ortsschilder hinausreicht. Es ist die Manifestation von Stärke und Schwäche, Macht und Ohnmacht der Universität Oldenburg. Es ist in jedem Fall eine originelle Antwort auf das Ansinnen der Landesregierung, die Ausbauziele der Universität von ursprünglich vorgesehenen 12.000 Studienplätzen auf 5.800 zu reduzieren.“ Es war eine logistische Meisterleistung, über die ein die Kolonne begleitender Polizeioffizier zu mir sagte, dass die Verlegung eines Bataillons der Bundeswehr fast sechs Wochen brauche. Die Universitätsangehörigen schafften es in vierzehn Tagen: Unterbringung von tausend Menschen in Kirchen, Schulen und Zelten, Pendelverpflegung von der Oldenburger Mensa aus, mobile Fahrradreparaturwagen und Pressezentrum, Routenfestlegung mit den Behörden, Besorgung von Toilettenwagen, Detlev Rossmanns mobiles Abendkino usw. In Hannover kam es zu einer eindrucksvollen Abschlusskundgebung auf dem Klagesmarkt.
  • Die Demonstration zeigt Wirkung: Zum 1. Oktober meldet das Ministerium doch noch zum 6. Rahmenplan nach: Bis 1980 sollen 161,3 Millionen D-Mark für den Bau von Bibliothek, Sportanlagen und Zentralwerkstatt, aber keiner Mensa, zur Verfügung stehen. Die reduzierte Zahl von 5.800 Studienplätzen bleibt.
  • Nach Bildung der Koalition von CDU und FDP wird der Universitätsleitung in einer Besprechung am 7. Juni 1977 mitgeteilt, dass die Studienplatzzielzahl auf 6.800 Plätze angehoben werde.
  • Fast im gleichen Atemzug lässt Minister Pestel wissen, dass er eine Konzentration des Fachs Physik in Osnabrück anstrebe.
  • Im Mai 1978 entscheidet das Ministerium in Hannover, dass die Physik in Oldenburg bleiben kann. Dafür wird der Universität Osnabrück die Einrichtung eines Fachbereichs Jura in Aussicht gestellt. Osnabrück hatte sich nicht um einen solchen beworben, wohl aber immer wieder Oldenburg. Denn hier sind alle Institutionen zur Ausbildung im Referendariat vorhanden.
  • Anfang 1979 soll mit dem Ausbau der Universitätsbibliothek und einer Mensa begonnen werden.
  • Im April 1979 gibt die Landesregierung bekannt, die Zahl naturwissenschaftlicher Studienplätze für Oldenburg von 3.500 auf 1.200 absenken zu wollen. Niedersachsen habe im Bundesdurchschnitt schon zu viele Studienplätze in diesem Bereich, deshalb sei eine weitere Steigerung nicht vertretbar. Das Ministerium regt an, ob nicht für die wegfallenden naturwissenschaftlichen Plätze ein „Tausch“ zugunsten eines Fachbereichs Rechtswissenschaften in Betracht kommen könne. Die Universität lehnt dies ab, weil damit die Naturwissenschaften als „Kern“ eines weiteren Ausbaus in Richtung Medizin/Pharmazie aufgegeben würden.
  • Minister Pestel gibt in einem Interview mit dem „Oldenburger Bürger“ (9/1979) zu Protokoll: „Natürlich war es von vornherein großer Unfug, zwei Universitäten zu gründen. Osnabrück liegt 40 Kilometer von Münster und genauso weit von Bielefeld entfernt“.
  • Wieder zieht die Universität zu großem Protest nach Hannover: Mit einem Sonderzug fahren am 8. Mai 1979 1.900 Hochschulangehörige nach Hannover und demonstrieren gegen die Ausbaukürzungen und die damit verbundene Benachteiligung des Nordwestraums. Außer uns Rektoren von Universität und Fachhochschulen aus dem Nordwesten sprachen Oberbürgermeister Fleischer und Oberstadtdirektor Wandscher sowie die Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP (!) im Landtag. Unter dem Motto „Ausbildung und Arbeit auch für Oldenburger und Ostfriesen“ erschienen am gleichen Tag durch Spenden finanzierte Großanzeigen in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ und der „Nordwest-Zeitung“.
  • Auf Anregung des Kanzlers unterbreitete ich dem Minister Anfang Juni einen Kompromissvorschlag der Universität: Die fertig geplanten ersten und zweiten Bauabschnitte der Naturwissenschaften sollten gebaut werden. Dafür würde die Hochschule zunächst auf die Neubauten für die Geisteswissenschaften und die Verwaltung verzichten. Auch durch Vermittlung von Gerhard Wachsmann, dem Vorsitzenden der Universitätsgesellschaft, ließ im November 1979 Staatssekretär Möller im Landtag erkennen, dass der Kompromissvorschlag weitgehend akzeptiert würde.

Diese Mitteilung kam zu dem Zeitpunkt, an dem nach dem Rücktritt von mir und meinem Stellvertreter an meiner Stelle Hans-Dietrich Raapke mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten beauftragt war. Auch ihm widerfuhr das, was die Universität gewohnt war: Mitte Januar 1980 ging es wieder um die Reduzierung der Ausbauziele.

Diese ständigen Veränderungen der Ausbauziele erforderten ein enormes Engagement unseres knapp ausgestatteten Baudezernats mit Alexander Kleinloh als Leiter, aber auch der Wissenschaftler, die die neuen Einrichtungen nutzen wollten. Denn ständig mussten städtebauliche Konzepte angepasst und neue Raumprogramme geschrieben werden. Eigentlich erwartete man von den berufenen Hochschullehrern, sich der Forschung zu widmen. Stattdessen wurde ein Gutteil ihrer Arbeitszeit mit Umplanungen vergeudet.

Ein mit Freude in Erinnerung bleibendes Erlebnis hatte ich allerdings – auch weil ich als Geograf die Herausforderung spannend fand. Aus dem eiszeitlichen Schmelzwassersystem hat sich bekanntlich ein Nordost-Südwest orientiertes Gewässernetz herausgebildet, dem auch die typische norddeutsche Wallheckenlandschaft folgt. Die Aufgabe des „Städtebaulichen Wettbewerbs Wechloy“ bestand nun darin, in das vorgesehene Baugelände mit Landschaftsschutzcharakter eine massivere Bebauung behutsam einzufügen. Der preisgekrönte Entwurf der Arbeitsgemeinschaft von Lange und Partner überraschte mit einem frappierenden Kniff: Durch eine Drehung der mental gewohnten Nord-Süd-Fixierung von Planzeichnungen um 45° passten die Baulinien und einzelnen Glieder der gespreizten Baumassen fast kongruent in das Landschaftsbild.

Leider dauerte es noch bis 1983, bis die Naturwissenschaften in Wechloy ihren Einzug halten konnten.

Eine bitterböse Zeit: Die ausufernde Überprüfungspraxis

In der durch terroristische Akte Anfang der siebziger Jahre aufgescheuchten Politik kam es unter der Amtszeit von Bundeskanzler Willy Brandt zur Verabschiedung des „Extremistenbeschlusses“ durch Bund und Länder. Fortan musste im Öffentlichen Dienst, also auch bei allen Neueinstellungen wie auch bei Angehörigen von Hochschulen, die vermeintlich politisch extrem agiert haben sollen, deren Verfassungstreue überprüft werden. Es war keine erfreuliche Aufgabe für eine Hochschulleitung, die mit dicken Akten des Verfassungsschutzes konfrontiert und zum Teil auch zu Anhörungen genötigt war. Schnell sprach man von der „Berufsverbotspraxis“, gegen die es galt, sich mit allen Mitteln zu wehren.

Bei der Universität Oldenburg, die als Reformhochschule in breiter Mehrheit liberal-konservativ bis sozialdemokratisch orientiert war, waren einzelne Angehörige oder Bewerber entweder orthodox kommunistisch (DKP, MSB-Spartakus) oder radikal undogmatisch links (z.B. die sogenannten K-Gruppen) verortet. Die Gremien der Universität und die Hochschulleitung legten Wert darauf, mit dieser ideologisch-wissenschaftlichen Breite zu leben, solange nicht Einzelne explizit durch ihr Verhalten verfassungsfeindlich agierten. Die Universität geriet aber durch ihr liberales Verständnis rechtsstaatlicher Prinzipien in der Öffentlichkeit immer wieder unter Verdacht, sich mit den politischen Meinungen der jeweils Betroffenen gemein zu machen. Es galt also, immer zu betonen, dass ihr Eintreten für die Freiheit Andersdenkender nicht mit der Akzeptanz deren ideologischer Positionen gleichzusetzen sei.

Die Landesregierung in Hannover zeigte kein Verständnis für diese tolerante Einstellung der Universität Oldenburg. Also war die Hochschulleitung während meiner Amtszeit mit einer ganzen Reihe derartiger Überprüfungsverfahren befasst. Bis zum Ende der siebziger Jahre, also dem Ende meiner Amtszeit als Gründungsrektor, waren mindestens fünf wissenschaftliche Assistenten und eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter betroffen, dazu kamen siebzehn Lehramtsabsolventen unserer Universität.

Aus der Mehrzahl der Verfahren möchte ich einen Fall ausführlicher schildern, nicht nur aber auch, weil sich die Universität zu besonders aufwändigem Handeln gezwungen sah und es um die Infragestellung meines Amtes als Rektor ging. Im Mai 1977 wurde ich vom Ministerium aufgefordert, gegen einen Wissenschaftlichen Assistenten, der dem Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) angehörte und für den Bundestag kandidierte, Vorermittlungen wegen des Verdachts eines schweren Dienstvergehens einzuleiten. Die Position der Hochschule war demgegenüber: Politische Meinungsäußerungen und Aktivitäten als Mitglied einer zu Wahlen zugelassenen Partei müssen für einen Beamten zulässig sein, wenn die Verfassungswidrigkeit dieser Partei nicht durch einen Verbotsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts festgestellt worden ist.

Im besagten Fall hatte die Befolgung dieser Sichtweise dramatische Folgen. Denn auf der Sitzung des Konzils am 20. Mai 1977 traten die Mitglieder der „Linken Liste“ aus diesem aus. Für sie war der getroffene Beschluss, sich mit allen juristisch möglichen Mitteln gegen die drohende Entlassung zu wehren, ein Verzicht auf den politischen Kampf gegen die Berufsverbote. Stattdessen mache sich die Hochschule durch Beteiligung an den Ermittlungsverfahren zum Handlanger des Radikalenbeschlusses. Die „Linke Liste“ forderte, auch den Rücktritt des Rektors als Mittel einzusetzen. Die breite Mehrheit des Konzils sah in einem solchen Schritt aber eine Einschränkung der Autonomie der Hochschule und das sich Ausliefern an staatliche Eingriffsmöglichkeiten. Ich trat aus Überzeugung nicht zurück.

Gleichwohl hatte dieser Vorgang der Spaltung der bislang einheitlichen Abwehrlinie gegen den Radikalenerlass mich persönlich sehr betroffen gemacht. Dies auch deshalb, weil ich gezwungen war, zum letzten Rechtsmittel zu greifen, dass mir als Beamter gegenüber meinem Dienstvorgesetzten, dem Minister, zur Verfügung stand: die Remonstration.

Die persönliche Anhörung musste für die höheren Ministerialbeamten – weil für alle Neuland – ein besonderer juristischer Leckerbissen gewesen sein: vom Minister angefangen über die Ebene der Abteilungsleiter bis zum Fachreferenten saß Kanzler Jürgen Lüthje und mir eine ganze Riege gegenüber. Der Kanzler als Jurist konnte mich – in von mir erbetenen Verhandlungspausen – nur beraten, sprechen durfte nur ich.

Die Remonstration erbrachte kein Einlenken des Ministers. Allerdings wurde die dann vom Kanzler und mir durchzuführende Voruntersuchung vom betroffenen Assistenten verweigert, konnte also nicht mit einem ihn entlastenden Votum abgeschlossen werden. Die Einleitung eines disziplinarischen Verfahrens durch das Ministerium war so unumgänglich geworden. Immerhin konnte erreicht werden, dass der Beamte nicht entlassen, sondern mit der Hälfte seiner Bezüge nur suspendiert wurde.

Die Geschichte hatte einen kuriosen Abschluss, als ich zufällig dreißig Jahre später dieselbe Person in der Nähe von Hamburg traf. Auf einem gemeinsamen Spaziergang erinnerte ich ihn, der inzwischen – dem kapitalistischen System nicht mehr abhold – in hoher leitender Funktion in einem großen Hamburger Unternehmen tätig war, an sein früheres Berufsverbotsverfahren. Für ihn war in der Rückschau der ganze Vorgang ein spannendes Intermezzo. Mich hätte es fast mein Amt und die Universität vorübergehend ihre Handlungsfähigkeit gekostet. So kann ich nur vermuten, dass ihm damals seine „Märtyrerrolle“, die er durch sein unkooperatives Verhalten gewann, wichtiger war als das Wohlergehen der Universität, die sich für ihn mit großer Kraft eingesetzt hatte.

Das NHG von 1978: Ein Schlag gegen Reformelemente

Zum Oktober 1978 trat das neue Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) in Kraft. Ich weiß noch, wie ich kurz zuvor mit dem Minister für Wissenschaft und Kunst, Eduard Pestel, anlässlich einer Veranstaltung der Oldenburgischen Landschaft zusammensaß. Väterlich griff er meinen Arm und führte in etwa aus: „Ich weiß, dass Ihnen das Gesetz weh tut, aber es wird kommen. Wenn es einen gibt, der es schafft, bei aller Schwierigkeit der Hochschule die neue Lage zu vermitteln, dann sind Sie es. Sie haben doch eine ganz sichere Position in Ihrer Universität.“ Auch wieder aus meiner Erinnerung heraus gab ich zurück: „Herr Pestel, in diesem Fall werden Sie sich geirrt haben. Wir haben in den letzten Jahren unter Ihrer Regierung manchen Kompromiss mitgetragen, den Sie uns aufgezwungen haben. Ich bin in der Universität dafür eingestanden. Beim neuen Hochschulgesetz ist für mich das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich werde es ebenso wie die Hochschulangehörigen als ein unfreundliches Mittel sehen, Reformen der Universität auszuhebeln. Ich kann mir nicht vorstellen, unter diesen Umständen noch einmal als Hochschulleiter zu kandidieren.“ – Und so kam es zum Herbst 1979.

Was war der Reformweiterentwicklung durch das neue NHG so abträglich? Zum einen konnte das Ministerium direkter in Handlungsspielräume der Hochschule eingreifen. Prüfungs- und Studienordnungen wurden vereinheitlicht, der Nachweis von Leistungen wurde als fächerspezifische Anforderung aus dem Zusammenhang interdisziplinärer Projektarbeit herausgelöst und „normalen“ Übungs- und Seminarveranstaltungen zugeordnet – eine Schwächung der Wertigkeit des Projektstudiums. Zum anderen, und das war noch entscheidender für die zukünftige Organisationsstruktur der Hochschule, wurden die Mitbestimmungsmöglichkeiten für wissenschaftliche Mitarbeiter, Studierende und Mitarbeiter im technischen und Verwaltungsdienst (MTV) deutlich eingeschränkt. Die Beschneidung der Mitbestimmung bedeutete, dass auf der unteren Organisationsebene von Instituten, über deren Einführung in der Universität kontrovers diskutiert wurde, die Mitwirkung dieser Statusgruppen ausgeschlossen sein würde. Es zeichnete sich ab, dass die vier Fachbereiche inzwischen eine Größenordnung angenommen hatten, dass es bedenkenswert geworden war, eine differenziertere Organisationsebene unterhalb der Fachbereiche einzuziehen. Außerdem versprachen Institute die Möglichkeit engerer Zusammenarbeit mit dem nichtwissenschaftlichen Personal. Das Gegenargument, durch die Institute würde die interdisziplinäre Kooperation, die ein Kernelement des Projektstudiums war, leiden, war allerdings nicht von der Hand zu weisen. Durch den Ausschluss von Mitbestimmung für alle außer den Hochschullehrern war
für längere Zeit die Idee gestorben, Institute einzurichten. Nicht einmal die Teilung der Fachbereiche – mit Ausnahme des Fachbereichs Mathematik-Naturwissenschaften – gelang zu meiner Amtszeit.

Wissenschaft und Dienstleistung: Wie gleich sind alle?

Die stimmberechtigte Teilhabe von Angehörigen der Dienstleistungsbereiche an wissenschaftlichen Entscheidungsprozessen war in der Tat eine grundsätzliche Frage, die über das gesamte Gründerjahrzehnt die Gemüter bewegte. Ich erinnere mich, wie anlässlich des Wahlkampfs zu meiner Kandidatur als Gründungsrektor mein Gegenkandidat die Meinung vertrat, es gäbe eine Perspektive, dass alle Universitätsangehörigen „gleich“ seien, will sagen, gleichberechtigt in der Mitbestimmung und auch besoldungsmäßig, wenn man das Tarifrecht ändern könnte/würde. Ich hielt das für einen Traum. Gleichwohl war meine Position dazu klar: Jede an wissenschaftlicher Arbeit beteiligte Einzelperson – der Chemieprofessor, die Studenten, der Apparaturen fertigende Glasbläser oder die chemisch-technische Assistentin – bringen als Voraussetzung ihre spezifische Eignung mit, ohne die ein Erfolg der erforderlichen Arbeit in Frage gestellt ist. Um aus heutiger Sicht nicht als Reformspinner eingeordnet zu werden: Bei Entscheidungen zur Forschung, Lehre und Studium war seit 1975 gesetzlich geregelt, dass die Gruppe der Hochschullehrer nicht überstimmt werden konnte. Also ging es nur darum, durch Motivation Teambildung zu fördern. Und dazu gehört, dass das tradierte Einbahnstraßen-Abhängigkeitsverhältnis vom Ordinarius zum Mitarbeiter aufgebrochen werden muss. Konkret haben wir in der Universität die Möglichkeiten des Personalvertretungsgesetzes soweit wie möglich ausgeschöpft. Es war Usus, sich in festem Rhythmus zu Gesprächen zwischen Universitätsleitung und Personalrat zusammenzusetzen. Ebenso selbstverständlich waren an Nachmittagen regelmäßige „Teerunden“ mit dem AStA der Hochschule. Das war sinnvoll, weil trotz oft unterschiedlicher Interessen und Erfahrungen mit der Studentenschaft, die in sich politisch inhomogen genug war, doch in wichtigen Fragen hochschulpolitischer Positionierung nach außen Konsense möglich waren. Man darf es heute ruhig sagen: Wenn hoher Staatsbesuch anstand und dieser sich in eine aufgeheizte Vollversammlungsstimmung traute – Respekt dafür! – dann war nicht selten für einen studentischen „Ordnungsdienst“ gesorgt, der einen friedlichen Ablauf der Veranstaltung ermöglichte.

Wie schön kann es „weg von Oldenburg“ sein

Verließ ich Oldenburg aus dienstlichem Anlass, war es manchmal ein wenig Balsam, in eine freundlichere Wahrnehmungswelt eintauchen zu können. Die Auseinandersetzung um die Namensgebung hatte außerhalb Oldenburgs und ihrer Region einen ganz anderen (An-)Klang. Sei es auf Sitzungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) oder beim Europäischen Rektorentreffen gleich nach Amtsantritt im Jahr 1974 in Dubrovnik oder bei anderen Anlässen, überall schlug mir Interesse an der Hochschulgründung entgegen. Dies war weder auf ein schon vorhandenes wissenschaftliches Renommee der Universität gegründet – wo sollte es herkommen, wo Forschung erst anfing? – noch auf mich als damals kaum bekannten jüngsten deutschen Rektorenkollegen. Es speiste sich aus dem Unverständnis, wie es möglich sein könne, dass der Friedensnobelpreisträger aus der Zeit der Nazidiktatur nicht Namenspatron unserer Hochschule sein solle. In vielen Gesprächen erfuhr ich Ermunterung, in der Namensgebung nicht locker zu lassen. Letztlich war es ein Geschenk – ein Marketingerfolg – die Carl von Ossietzky Universität durch den Namensstreit im In- und Ausland bekannt werden zu lassen.

Aber auch institutionell wurde die Universität geschätzt, wenn ihre Vertreter Sachkunde und Professionalität in hochschulpolitisch relevanten Fragen aufweisen konnten. So wurde ich von meinen niedersächsischen Rektorenkollegen als eines von zwei Landesmitgliedern in den Senat der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) gewählt. Dies hatte einen Grund: Das Thema Studienreform hatte Mitte der siebziger Jahre an Bedeutung gewonnen. Und keine anderen als die Reformhochschulen hatten dazu so viel Sachwissen im Gepäck. Weiterhin wurde ich deshalb auch als Vertreter der niedersächsischen Hochschulen in die 1978 bei der Kultusministerkonferenz eingerichtete „Ständige Kommission für die Studienreform“ gewählt – eine Berufung, die ich nach meinem Amtsende noch bis 1983 für das Bundesland Bremen wahrgenommen habe.

Im Übrigen aber schlug uns vehement Kritik und Skepsis von wissenschaftlichen Fach- und Standesorganisationen entgegen, die unser Reformmodell in Forschung und Lehre für nicht tragfähig hielten.

Erste Forschungs- und Lehrschwerpunkte als Wegweiser

Das Konzept der „Einstufigen Einphasigen Lehrausbildung“ (ELAB), entwickelt im Gründungsausschuss und danach mit Studieneröffnung 1974 trotz massiver Kritik konservativer Bildungspolitiker und Verbandsfunktionäre sowie materieller Engpässe in die Praxis umgesetzt, war schnell zu einem Markenzeichen der jungen Universität geworden. Der international beachtete und dreifach durch Gutachter belobigte Modellversuch wurde auf Weisung der Landesregierung ab 1980 zum Stillstand gebracht. Wie sagte mein Stellvertreter Friedrich W. Busch später nicht ohne Sarkasmus: „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!“, musste der spannende Reformversuch abgebrochen werden. Aber Oldenburg blieb mit dem Zentrum für pädagogische Berufspraxis (ZpB) ein innovativer Ort der Lehrerausbildung. Nicht nur über die ELAB, auch in geisteswissenschaftlichen Bereichen von Forschung, Lehre und Studium ließe sich nachweisen, wie sich bewusst gesetzte Schwerpunkte seit der Planung im Gründungsausschuss später zu wichtigen Profilbausteinen entwickelt haben. In Stichworten ausgedrückt würde man etwa die folgenden Marksteine nennen können: Weiterbildung mit der Kontaktstelle für Weiterbildung; Breiten- und Freizeitsport; Psychoakustik; Familiensoziologie; Stadt- und Regionalsoziologie und Raumwissenschaften; theoretische und gesellschaftskritische Grundlagen der Sozialwissenschaften.

Ich bitte aber um Verständnis, wenn ich im Folgenden in einzelnen Linien den erfolgreichen Aufstieg der Naturwissenschaften zum Beispiel nehme. Hier lag die wichtigste Erweiterung des Fächerspektrums. Und in diesem Bereich war die Skepsis der uns beäugenden Scientific Community und Politik am größten. Denn das sich herausbildende Forschungsspektrum war unkonventionell und bewegte sich am Rand zu Standardrepertoires traditioneller Institute. Mit dem Interesse an neuen gesellschaftlichen Herausforderungen – vor allem zu nachhaltigem Ressourcenumgang – betrat man Neuland.

Ökologie: Das Projekt „Lebensraum Haarenniederung“ existierte seit dem Sommersemester 1974. Es hatte zum Ziel, die vor allem ökologischen Bedingungen in einem Landschaftsschutzgebiet zu eruieren, in das hinein sich die Universität mit ihrem zentralen Standort am Uhlhornsweg entwickeln würde. Die Stellen der wichtigen Professuren, die zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit zusammenfanden, waren vom Gründungsausschuss gewidmet worden und konnten entsprechend früh berufen werden: Dieter Schuller (1972/73: Analytische Chemie), Thomas Höpner (1973: Biochemie, Schwerpunkt Enzymologie), Wolfgang Krumbein (1973: Geomikrobiologie). Aus dem Projekt bildeten sich für die weitere Entwicklung wesentliche Arbeitsbereiche: Biochemie und biochemische Analytik, Sedimentologie und aquatische Ökologie sowie analytische Chemie. Letzterer Zweig unter Dieter Schuller verselbstständigte sich zur Abteilung Umweltchemie. Die anderen Arbeitsrichtungen verlagerten ihr Interesse auf die Erforschung ökologischer Zusammenhänge von Watt und Küste. Es war gleichsam die Wanderung vom Süß- zum Salzwasser. Endpunkt der Entwicklung sich ausweitender interdisziplinärer Meeres- und Küstenforschung war im Juli 1987 die Gründung des „Instituts für Chemie und Biologie des Meeres“ (ICBM). Treibende Promotoren dabei waren Wolfgang Krumbein und Thomas Höpner, auch wenn in der Zwischenzeit eine Reihe weiterer Wissenschaftler zu dem Forschungscluster gehörten.

Regenerative Energien: Die Berufung von Joachim Luther im Jahr 1973 auf die Stelle für Experimentalphysik, Schwerpunkt physikalische Messmethoden, setzte einen glücklichen Impuls für die Entwicklung dieser Forschungsrichtung. Er selbst wurde in Würdigung seiner Verdienste auf diesem Forschungssektor 1993 zum Direktor des 1981 gegründeten „Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme“ (ISE) in Freiburg berufen.

Zusammen mit Wolfgang Schmidt, der 1975 nach Oldenburg kam, wurde ein Arbeitsbereich „Physik regenerativer Energiequellen“ aufgebaut. Schon Mitte der siebziger Jahre, als das Thema „Erneuerbare Energien“ noch ein Mauerblümchendasein fristete, wurden Grundlagen möglicher Nutzung von Sonnenenergie, Wind und Biomasse erforscht. Als konkretes Musterbeispiel wurde die Planung eines Energielabors in Angriff genommen. Das „Energiehaus“, das 1981 in Wechloy in Betrieb genommen werden konnte, ist ein sich energetisch selbst tragendes, in Erdwälle eingebautes Labor, dessen Energieleistung durch die Kombination von Dämmung, Solarabsorbern und Windkraft erzeugt wird. Wolfgang Schmidt war insbesondere ein Promotor der Windenergieforschung und damit Wegbereiter des 2003 gegründeten „Zentrums für Windenergieforschung – ForWind“. Und 2007 heißt es anlässlich der Gründung des „EWE-Forschungszentrums für Energietechnologie“ im UNI-INFO: „Als die Universität Oldenburg mit der Errichtung des ‚Energielabors‘ … Anfang der 80er-Jahre ein erstes sichtbares Zeichen für ihre Forschung zum Thema Erneuerbare Energien setzte, hätte es wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass 25 Jahre später Deutschlands viertgrößter Energieversorger, die EWE AG, ein Forschungszentrum dafür errichten würde. Denn damals waren nur wenige davon überzeugt, dass erneuerbare Energiequellen in absehbarer Zeit eine bedeutende Rolle spielen würden. Heute ist das anders.“

Akustik: Dieses Arbeitsfeld nahm seinen Anfang in der Zeit des Gründungsausschusses. Damals wurde auf Initiative von Fritz Bader, später Leiter der Zentralen Technischen Werkstätten, und Ulrich Radek, Planer des Gründungsausschusses für die Naturwissenschaften, Volker Mellert von Göttingen nach Oldenburg berufen. Als er mit Start des Lehrbetriebs die Arbeit aufnahm, begann diese mit „Untersuchungen zur Ausbreitung von Schall stationärer und beweglicher Lärmquellen zur Ermittlung von Schutzmaßnahmen und Verbesserung von Modellen zur Lärmvorhersage“. Mit August Schick stieß in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ein Psychologe zur Arbeitsgruppe, der sich mit Problemen psychoakustischer Beurteilung von Schallsignalen beschäftigte. Damit war der Weg vorgezeichnet: 1992 bis 2001 das DFG-Graduiertenkolleg „Psychoakustik“, initiiert durch Mellert und Schick, zu denen als Verstärkung 1993 Birger Kollmeier, auch ein Göttinger, hinzukam, dem wir heute das weltweit renommierte „Zentrum für Hörforschung“ verdanken.

Nachwachsende Rohstoffe: Die Möglichkeiten, nachwachsende Rohstoffe – sprich Biomasse – zur Energiegewinnung zu nutzen, war ein Forschungsbereich, dem sich Peter Köll ab 1975 in Oldenburg arbeitend, und Jürgen Metzger, 1977 hinzugekommen, widmeten. Köll war bereits bekannter „Zuckerchemiker“, als im Zuge der ersten Ölkrise das Thema der Nutzung nachwachsender Rohstoffe zum ersten Mal ein wichtiges Forschungsthema wurde. Konkret beschäftigte man sich mit der Zerlegung von Holz und dessen Verflüssigung zum Zwecke energetischer Nutzung (Treibstoff). Dafür erhielten beide 1982 den angesehenen Océ-van-der-Grinten-Preis.

Statt eines Schlussworts

Andrä Wolter und Wolf-Dieter Scholz belegen nach einer Untersuchung von 1979 („Die Universität im Spiegel der öffentlichen Meinung – Eine lokale Fallstudie über das Image der Universität in der Oldenburger Bevölkerung“), dass 55 Prozent aller Befragten meinten, dass die „Universität ganz allgemein … eher positiv eingeschätzt wird“ und dass 53 Prozent der Befragten der Ansicht waren, „dass Oldenburg ohne die Universität schlechter dastehen würde“. Nicht schlecht, dieses Zeugnis aus Volkes Mund, das offensichtlich besser war als der veröffentlichte Ruf der Universität.

[1] Gerhard Harms und Peter Waskönig (Hrsg.), „Mehr Lust als Last?“ Der Gründungsrektor sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der Carl von Ossietzky Universität über ihre Herausforderungen und Erfolge 1974-2015, Oldenburg 2017, BIS-Verlag.

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